Alice in Wonderland
Alice’s Abenteuer im
Wunderland
English
partly translated anew from German.
Copyright © 2013 Nik
Marcel
All rights reserved.
2Language
Books
(A
Bilingual Dual-Language Project)
I. Hinunter in den Kaninchenbau
Alice fing an sich zu langweilen; sie saß schon lange bei ihrer
Schwester am Ufer und hatte nichts zu tun.
Das Buch, das ihre Schwester las, gefiel ihr nicht; denn es waren weder
Bilder noch Gespräche darin.
»Und was nützen Bücher,« dachte Alice, »ohne Bilder und Gespräche?«
Sie überlegte sich eben, (so gut es ging, denn sie war schläfrig und
dumm von der Hitze,) ob es der Mühe wert sei aufzustehen und Gänseblümchen zu
pflücken, um eine Kette damit zu machen, als plötzlich ein weißes Kaninchen mit
roten Augen dicht an ihr vorbeirannte.
Dies war grade nicht sehr merkwürdig; Alice fand es auch nicht sehr
außerordentlich, daß sie das Kaninchen sagen hörte: »O weh, o weh! Ich werde zu
spät kommen!«
(Als sie es später wieder überlegte, fiel ihr ein, daß sie sich darüber
hätte wundern sollen, doch zur Zeit kam es ihr Alles ganz natürlich vor.)
Aber als das Kaninchen seine Uhr aus der Westentasche zog, nach der Zeit
sah und eilig fortlief, sprang Alice auf;
denn es war ihr doch noch nie vorgekommen, ein Kaninchen mit einer
Westentasche und eine Uhr darin zu sehen.
Vor Neugierde brennend, rannte sie ihm nach, über den Grasplatz, und kam
noch zur rechten Zeit, um es in ein großes Loch unter der Hecke schlüpfen zu
sehen.
Den nächsten Augenblick war sie ihm nach in das Loch hineingesprungen,
ohne zu bedenken, wie in aller Welt sie wieder herauskommen könnte.
Der Eingang zum Kaninchenbau lief erst geradeaus, wie ein Tunnel und
ging dann plötzlich abwärts; ehe Alice noch den Gedanken fassen konnte sich
schnell festzuhalten, fühlte sie schon, daß sie fiel, wie es schien, in einen
tiefen, tiefen Brunnen.
Entweder mußte der Brunnen sehr tief sein, oder sie fiel sehr langsam;
denn sie hatte Zeit genug, sich beim Fallen umzusehen und sich zu wundern, was
nun wohl geschehen würde.
Zuerst versuchte sie hinunter zu sehen, um zu wissen wohin sie käme,
aber es war zu dunkel etwas zu erkennen.
Da besah sie die Wände des Brunnens und bemerkte, daß sie mit
Küchenschränken und Bücherbrettern bedeckt waren;
hier und da erblickte sie Landkarten und Bilder, an Haken aufgehängt.
Sie nahm im Vorbeifallen von einem der Bretter ein Töpfchen mit der
Aufschrift: »Eingemachte Apfelsinen«, aber zu ihrem großen Verdruß war es leer.
Sie wollte es nicht fallen lassen, aus Furcht Jemand unter sich zu
töten; und es gelang ihr, es in einen andern Schrank, an dem sie vorbeikam, zu
schieben.
»Nun!« dachte Alice bei sich, »nach einem solchen Fall werde ich mir
nichts daraus machen, wenn ich die Treppe hinunter stolpere.
Wie muthig sie mich zu Haus finden werden! Ich würde nicht viel Redens
machen, wenn ich selbst von der Dachspitze hinunter fiele!« (Was sehr
wahrscheinlich war.)
Hinunter, hinunter, hinunter! Wollte denn der Fall nie endigen? »Wie
viele Meilen ich wohl jetzt gefallen bin!« sagte sie laut.
»Ich muß ungefähr am Mittelpunkt der Erde sein. Laß sehen: das wären
achthundert und fünfzig Meilen, glaube ich;«
(denn ihr müßt wissen, Alice hatte dergleichen in der Schule gelernt,
und obgleich dies keine sehr gute Gelegenheit war, ihre Kenntnisse zu zeigen,
da Niemand zum Zuhören da war, so übte sie es sich doch dabei ein)
»ja, das ist ungefähr die Entfernung; aber zu welchem Längegrad und
Breitegrade ich wohl gekommen sein mag?«
(Alice hatte nicht den geringsten Begriff, was weder Längegrad noch
Breitegrad war; doch klangen ihr die Worte großartig und nett zu sagen.)
Bald fing sie wieder an. »Ob ich wohl ganz durch die Erde fallen werde!
Wie komisch das sein wird, bei den Leuten heraus zu kommen, die auf dem Kopfe
gehen! die Antipathien, glaube ich.«
(Diesmal war es ihr ganz lieb, daß Niemand zuhörte, denn das Wort klang
ihr gar nicht recht.)
»Aber natürlich werde ich sie fragen müssen, wie das Land heißt. Bitte,
liebe Dame, ist dies Neu-Seeland oder Australien?«
(Und sie versuchte dabei zu knixen, — denkt doch, knixen, wenn man durch
die Luft fällt! Könntet ihr das fertig kriegen?)
»Aber sie werden mich für ein unwissendes kleines Mädchen halten, wenn
ich frage! Nein, es geht nicht an zu fragen; vielleicht sehe ich es irgendwo
angeschrieben.«
Hinunter, hinunter, hinunter! Sie konnte nichts weiter tun, also fing
Alice bald wieder zu sprechen an. »Dinah wird mich gewiß heut Abend recht
suchen!« (Dinah war die Katze.)
»Ich hoffe, sie werden ihren Napf Milch zur Teestunde nicht vergessen.
Dinah! Mies! ich wollte, du wärest hier unten bei mir. Mir ist nur bange, es
gibt keine Mäuse in der Luft; aber du könntest einen Spatzen fangen; die wird
es hier in der Luft wohl geben, glaubst du nicht? Und Katzen fressen doch
Spatzen?«
Hier wurde Alice etwas schläfrig und redete halb im Traum fort. »Fressen
Katzen gern Spatzen? Fressen Katzen gern Spatzen? Fressen Spatzen gern Katzen?«
Und da ihr Niemand zu antworten brauchte, so kam es gar nicht darauf an, wie
sie die Frage stellte.
Sie fühlte, daß sie einschlief und hatte eben angefangen zu träumen, sie
gehe Hand in Hand mit Dinah spazieren, und frage sie ganz ernsthaft: »Nun,
Dinah, sage die Wahrheit, hast du je einen Spatzen gefressen?« …da mit einem
Male, plump! plump! kam sie auf einen Haufen trocknes Laub und Reisig zu
liegen, — und der Fall war aus.
Alice hatte sich gar nicht weh getan. Sie sprang sogleich auf und sah in
die Höhe; aber es war dunkel über ihr. Vor ihr lag ein zweiter langer Gang, und
sie konnte noch eben das weiße Kaninchen darin entlang laufen sehen.
Es war kein Augenblick zu verlieren: fort rannte Alice wie der Wind, und
hörte es gerade noch sagen, als es um eine Ecke bog: »O, Ohren und Schnurrbart,
wie spät es ist!«
Sie war dicht hinter ihm, aber als sie um die Ecke bog, da war das
Kaninchen nicht mehr zu sehen.
Sie befand sich in einem langen, niedrigen Flur, der durch eine Reihe
Lampen erleuchtet war, die von der Decke herabhingen.
Zu beiden Seiten des Flurs waren Türen; aber sie waren alle
verschlossen.
Alice versuchte jede Tür erst auf einer Seite, dann auf der andern;
endlich ging sie traurig in der Mitte entlang, überlegend, wie sie je heraus
kommen könnte.
Plötzlich stand sie vor einem kleinen dreibeinigen Tische, ganz von
dickem Glas.
Es war nichts darauf als ein winziges goldenes Schlüsselchen, und
Alice’s erster Gedanke war, dies möchte zu einer der Türen des Flurs gehören.
Aber ach! entweder waren die Schlösser zu groß, oder der Schlüssel war
zu klein; kurz, er paßte zu keiner einzigen.
Jedoch, als sie das zweite Mal herum ging, kam sie an einen niedrigen
Vorhang, den sie vorher nicht bemerkt hatte, und dahinter war eine Tür,
ungefähr fünfzehn Zoll hoch.
Sie steckte das goldene Schlüsselchen ins Schlüsselloch, und zu ihrer
großen Freude paßte es.
Alice schloß die Tür auf und fand, daß sie zu einem kleinen Gange
führte, nicht viel größer als ein Mäuseloch. Sie kniete nieder und sah durch
den Gang in den reizendsten Garten, den man sich denken kann.
Wie wünschte sie, aus dem dunkeln Flur zu gelangen, und unter den bunten
Blumenbeeten und kühlen Springbrunnen umher zu wandern; aber sie konnte kaum
den Kopf durch den Eingang stecken.
»Und wenn auch mein Kopf hindurch ginge,« dachte die arme Alice, »was
würde es nützen ohne die Schultern. O, ich möchte mich zusammenschieben können
wie ein Teleskop! Das geht gewiß, wenn ich nur wüßte, wie man es anfängt.«
Denn es war kürzlich so viel Merkwürdiges mit ihr vorgegangen, daß Alice
anfing zu glauben, es sei fast nichts unmöglich.
Es schien ihr ganz unnütz, länger bei der kleinen Tür zu warten. Daher
ging sie zum Tisch zurück, halb und halb hoffend, sie würde noch einen
Schlüssel darauf finden, oder jedenfalls ein Buch mit Anweisungen, wie man sich
als Teleskop zusammenschieben könne.
Diesmal fand sie ein Fläschchen darauf. »Das gewiß vorhin nicht hier
stand,« sagte Alice; und um den Hals des Fläschchens war ein Zettel gebunden,
mit den Worten »Trinke mich!« wunderschön in großen Buchstaben drauf gedruckt.
Es war bald gesagt, »Trinke mich«, aber die altkluge kleine Alice wollte
sich damit nicht übereilen.
»Nein, ich werde erst nachsehen,« sprach sie, »ob ein Totenkopf darauf
ist oder nicht.«
Denn sie hatte mehre hübsche Geschichten gelesen von Kindern, die sich
verbrannt hatten oder sich von wilden Tieren hatten fressen lassen, und in
andere unangenehme Lagen geraten waren, nur weil sie nicht an die Warnungen
dachten, die ihre Freunde ihnen gegeben hatten;
zum Beispiel, daß ein rotglühendes Eisen brennt, wenn man es anfaßt; und
daß wenn man sich mit einem Messer tief in den Finger schneidet, es gewöhnlich
blutet. Und sie hatte nicht vergessen, daß wenn man viel aus einer Flasche mit
einem Totenkopf darauf trinkt, es einem unfehlbar schlecht bekommt.
Diese Flasche jedoch hatte keinen Totenkopf. Daher wagte Alice zu
kosten; und da es ihr gut schmeckte (es war eigentlich wie ein Gemisch von
Kirschkuchen, Sahnen Sauce, Ananas, Putenbraten, Toffee und Armen Rittern), so
trank sie die Flasche aus.
»Was für ein komisches Gefühl!« sagte Alice. »Ich gehe gewiß zu wie ein
Teleskop.«
Und so war es in der Tat: jetzt war sie nur noch zehn Zoll hoch, und ihr
Gesicht leuchtete bei dem Gedanken, daß sie nun die rechte Höhe habe, um durch
die kleine Tür in den schönen Garten zu gehen.
Doch erst wartete sie einige Minuten, ob sie noch mehr einschrumpfen
werde. Sie war einigermaßen ängstlich.
»Ich könnte wie ein Licht auszulöschen,« sagte Alice zu sich selbst. Und
sie versuchte sich vorzustellen, wie die Flamme von einem Lichte aussieht, wenn
das Licht ausgeblasen ist; aber sie konnte sich nicht erinnern, dies je gesehen
zu haben.
Nach einer Weile, als sie merkte daß weiter nichts geschah, beschloß
sie, gleich in den Garten zu gehen.
Aber, arme Alice! als sie an die Tür kam, hatte sie das goldene
Schlüsselchen vergessen. Sie ging nach dem Tische zurück, es zu holen, fand
aber, daß sie es unmöglich erreichen konnte. Sie sah es ganz deutlich durch das
Glas, und sie gab sich alle Mühe an einem der Tischfüße hinauf zu klettern,
aber er war zu glatt; und als sie sich ganz müde gearbeitet hatte, setzte sich
das arme, kleine Ding hin und weinte.
»Still, was nützt es so zu weinen!« sagte Alice ganz böse zu sich
selbst; »ich rate dir, den Augenblick aufzuhören!«
Sie gab sich oft sehr guten Rat (obgleich sie ihn selten befolgte), und
manchmal schalt sie sich selbst so strenge, daß sie sich zum Weinen brachte;
und einmal, erinnerte sie sich, hatte sie versucht sich eine Ohrfeige zu
geben, weil sie im Croquet betrogen hatte, als sie gegen sich selbst spielte;
denn dieses eigentümliche Kind stellte sehr gern zwei Personen vor.
»Aber jetzt hilft es zu nichts,« dachte die arme Alice, »zu tun als ob
ich zwei verschiedene Personen wäre. Ach! es ist ja kaum genug von mir übrig zu
einer anständigen Person!«
Bald fiel ihr Auge auf eine kleine Glasbüchse, die unter dem Tische lag;
sie öffnete sie und fand einen sehr kleinen Kuchen darin, auf welchem die Worte
»Iß mich!« schön in kleinen Rosinen geschrieben standen.
»Gut, ich will ihn essen,« sagte Alice, »und wenn ich davon größer
werde, so kann ich den Schlüssel erreichen; wenn ich aber kleiner davon werde,
so kann ich unter der Tür durchkriechen. So, auf jeden Fall, gelange ich in den
Garten, — es ist mir einerlei wie.«
Sie aß ein Bißchen, und sagte neugierig zu sich selbst: »Aufwärts oder abwärts?«
Dabei hielt sie die Hand prüfend auf ihren Kopf und war ganz erstaunt zu
bemerken, daß sie dieselbe Größe behielt.
Freilich geschieht dies gewöhnlich, wenn man Kuchen ißt; aber Alice war
schon so an wunderbare Dinge gewöhnt, daß es ihr ganz langweilig schien, wenn
das Leben so natürlich fortging.
Sie machte sich also daran, und verzehrte den Kuchen völlig.
II. Der Thränenpfuhl
»Verquerer und verquerer!« rief Alice. (Sie war so überrascht, daß sie
im Augenblick ihre eigene Sprache ganz vergaß.) »Jetzt werde ich auseinander
geschoben wie das längste Teleskop das es je gab! Lebt wohl, Füße!«
(Denn als sie auf ihre Füße hinabsah, konnte sie sie kaum mehr zu
Gesicht bekommen, so weit fort waren sie schon.)
»O meine armen Füßchen! wer euch wohl nun Schuhe und Strümpfe anziehen
wird, meine Besten? denn ich kann es unmöglich tun!
END OF PREVIEW
No comments:
Post a Comment